Lieber Herr Robischon,
Wie versprochen, melde ich mich wieder bei
Ihnen. Wir würden Sie gerne
in unser Abteilungskolloquium einladen...........................
Zur meinen informellen Beobachtungen bei Ihnen
bei meinem kürzlichen
Besuch:
Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass Sie
in der Lage sind, Ihren
Unterrichtsstil sehr konsequent durchzuhalten.
Ihre Verhaltensmuster
erschienen mir sehr stabil und systematisch.
Dabei wirkten Sie jedoch
entspannt bzw. nicht gestresst. Die Form des
offenen Unterrichts scheint
es Ihnen zu ermöglichen, sehr flexibel
auf individuelle Bedürfnisse von
Schülern und Konfliktsituationen einzugehen.
Dies ist ein wichtiges
Moment, denn oftmals leiden Lehrer darunter,
dass sie ihre Handlungen
unterbrechen müssen, weil sie sich durch
Schülerhandlungen "gestört"
fühlen. Ich hatte den Eindruck, dass
dies bei Ihnen kaum vorkommt, Sie
pendeln von Gruppe zu Gruppe oder Schüler
zu Schüler, je nach Bedarf und
Situation, interagieren, schlichten, machen
Angebote. Unabhängig davon,
ob dieses unterrichtliche Handeln effektiv
ist, scheint es mir auf jeden
Fall stressreduzierend oder -vermeidend zu
sein. Es ist ein Lehrstil,
bei dem sich der Lehrende als Initiator von
Lerngelegenheiten versteht,
ohne dabei alle Handlungen der Schüler
kontrollieren zu wollen. Aus
meiner Sicht gelingt es Ihnen, diese Form
des konstruktivistischen
Lehrens sehr überzeugend und konsequent
zu realisieren.
Die Form des selbstgesteuerten offenen Unterrichts
scheint bei Ihnen
durchaus zu funktionieren. Die meisten Schüler
nehmen von sich aus
Lernaktivitäten auf und halten diese
auch über längere Zeit durch. Auch
die, die stören bzw. nichts tun, fangen
irgendwann an, sinnvollen
Beschäftigungen nachzugehen. Meine Vermutung
ist, dass die time On task
in Ihrem Unterricht nicht schlechter ist als
im traditionellen
Unterricht (müsste man aber zeigen!).
Gut, ein paar "schwierige" Schüler
haben über längere Zeit nur Quatsch
gemacht, allerdings wäre das im
traditionellen lehrerzentrierten Unterricht
auch nicht zu vermeiden. Da
würden die dann irgendwann vor der Tür
stehen...
Gut gefallen hat mir auch, wie Sie mit dem
Verhalten des etwas großen
Jungen mit der XXXXXX umgegangen sind: Sie
haben der Gruppe
vorgelesen und er hat mehrere Minuten lang
mit einer leeren Flasche auf
den Tisch geklopft. Sie haben sein Verhalten
konsequent nicht verstärkt,
etwa durch disziplinierende Äußerungen,
sondern Sie haben ihn einfach
ermutigt, mitzumachen und zuzuhören.
Nach einer Weile hat er dann genau
dies getan. Aus behavioristischer Sicht haben
Sie also genau richtig
gehandelt: inadäquates Verhalten nicht
verstärken und zu erwünschtem
Verhalten anregen.
Mehr fällt mir im Augenblick nicht ein,
aber ich denke, wenn Sie uns
besuchen, werden wir weitere interessante
Momente Ihrer Arbeit
feststellen und entdecken.
Herzliche Grüße,
Dr. M. N.
27.4.2003 |